Also ich kann ja über den heiligen Apostel Paulus sagen, was ich will. Dass er mir manchmal nur schwer verständlich ist. Dass er seinen Gemeinden damals ganz schön komplizierte Theologie zugemutet hat. Dass das, was er ab und zu so über die Frauen sagt, reichlich nach Macho klingt und nach reichlich antiquierten (was denn sonst?!) Rollenverständnis... Aber das fasziniert mich. Das finde ich absolut klasse: „Darum höre ich nicht auf, für euch zu danken...“ Das steht in seinen Briefen immer ziemlich am Anfang. Es hört sich für mich echt und ehrlich an. Das war ihm ernst und anscheinend ganz wichtig gleich mal zu Anfang zu sagen. Klare Ansage vor allem andern. Noch vor jeder Verkündigung, noch vor jeder Predigt, vor jeder Ermahnung: Ich bin dankbar für euch! Es ist toll, dass es euch gibt. Ich habe von Eurem Glauben gehört und dass euer Herz von Liebe überfließt und wie ihr füreinander da seid und für andere, die euch brauchen. Das ist super. Das tut mir gut! Das macht mir Mut! Danke!
„Machen wir halt das Beste draus...“,haben wir in den letzten Monaten immer wieder zueinander gesagt. Lockdown und Gottesdienstabsagen, Abstand halten und Zuhause-bleiben-müssen,
unsere Lieben nicht besuchen können... „Machenwir halt das Beste draus...“ Ein bisschen Resignation schwingt schon mit. Ich kann ja das Große und Ganze nicht ändern. Die Krankheit kann ich nicht
aus der Welt schaffen. Das hat so viel Bedrohliches, das bringt so viel Schmerzhaftes mit sich, das hat so bittere Konsequenzen, das alles tut manchmal so weh –ich kann es nicht ändern. Trotzdem:
Nehmen wir es halt an wie es ist. Es nützt ja nichts daran zu verzweifeln. Machen wir das Beste draus.
Aber dann steckt da auch so viel an Energie drin und an Fantasie und an Hoffnung. Wenn wir schon keine Gottesdienste wie üblich mehr feiern können, dann schließen wir wenigstens
die Kirchen auf. Jede und jeder soll kommen dürfen. Das ist doch das mindeste und das wenigste. Verschlossene Kirchen sind doch ein Widerspruch in sich! Das geht doch: es sind nie zu viele
Menschen zu gleicher Zeit am selbst Ort und das mit dem Auf-und Abschließen lässt sich organisieren. Dann kommen andere Ideen: Mandalas werden gemalt und KiTa-Kinder schmücken unsere Kirchen und
Baumscheiben werden beschriftet und ans Kreuz gelegt. Als dann pünktlich zu Weihnachten wieder Gottesdienste abgesagt werden, da tauchen auf einmal Sterne auf und leuchten in unseren Kirchen und
liegen an unseren Krippen. Sie tragen unsere Handschrift. Die Handschrift von Menschen ausunserer Gemeinde: Bitte, Dank, Klage, Wünsche, Träume, Hoffnungen, Ängste –alles steht auf den Sternen.
Die fallen vom Himmel auf die Erde und machen sichtbar und greifbar: Bis heute fallen die Sterne der Liebe Gottes mitten hinein in meine Welt, in meinLeben. Es ist doch gar nicht wahr, dass ERr
Millionen von Lichtjahren entfernt ist. Sein Licht leuchtet mitten in all unseren Fragen und Antworten, in unseren Sorgen und Freuden, in unserem Glück und in unserer Verzweiflung. Tüten werden
bereitgestellt und abgeholt. Hausgottesdienste in den eigenen vier Wänden gefeiert und auch digital geht manches besser als gedacht...
„Ja, die Leute in unserer Gemeinde, die machen wirklich das Beste draus...“,hab ich manchmal so gedacht und gesagt. Wir Hauptamtlichen müssen das eigentlich nur zulassen,
unterstützen, ermöglichen, begleiten und ab und zu motivieren. Vor allem aber mitmachenund anerkennenund wertschätzenund dankbar seinund diesen Dank dann auch weiter geben!
Klingt das nicht ein bisschen zu einfach, zu optimistisch, zu rosarot? Vielleicht schon. Die Probleme bleiben ja. Nicht nur Corona. Auch die katastrophale Situation in unserer Kirche. Immer noch
Missbrauch und kein Ende. Immer noch das verharren auf festbetonierte angeblich ewige Wahrheiten, anstatt dass dem Heiligen Geist Gottes endlich die Bahn frei gemacht wird, dass er auch in
unserer Kirche berufen darf wen er will und wie er will: Frauen und Männer, Verheiratete und Unverheiratete. Immer noch Macht und Geld, das nicht nur den Charakter unserer Kirche verdirbt,
sondern sie auch bis aufs Tiefste unglaubwürdig macht. Immer noch Ausschluss und Diskriminierung von Menschen mit anderer Meinung und anderer Lebensweise, als jene von der „reinen Lehre“
vorgeschriebenen... Ja, das gäbe es genug zu klagen und da muss zu Recht vieles weiter scharf angemahnt und eingeklagt und kritisiert werden. Ich jedenfalls möchte mich nicht damit
abfinden...
Gerade dann tut mir der Paulus gut. Damals war ja auch nicht alles so einfach. Mit dem Glauben an Jesus war gerade ein Anfang gemacht. Mit der Kirche auch. Vieles war völlig neu.Dazu noch der
Druck von außenbis hin zur Verfolgung. Da meint Paulus:In der Gemeinschaft mit Jesus hat Gott uns gesegnet mit allem Segen seines Geistes. Für unsere Ohren etwas kompliziert. Aber ich glaube er
ist davon überzeugt, dass da wo wir mit Jesus im Bunde sind, wo wir nach ihm fragen und ihn suchen, wo wir uns von ihm beschenken lassen und weiter geben, was wir bekommen haben, dass wir da auch
die Nähe Gottes so richtig zu spüren bekommen. Wo ich mit diesem Jesus in Kontakt bleibe, wo ich noch nicht fix und fertig mit ihm bin, da lässt er es mich auch spüren: Gott ist von Anfang an für
uns da. Gott nimmt uns an, wie wir sind. Er lässt uns nicht fallen. Er lässt uns nicht im Stich. Er geht auch die schweren und steilen und dunklen Wege mit uns, wenn es sein muss mitten durch die
Nacht. Das ist Grund zur Hoffnung, das ist der Grund unserer Hoffnung...
Die Gefahr ist ja da in dieser „Covid-Welt“, in der dramatischen Lage in unserer Stadt, in so mancher bitteren Wirklichkeit unserer Kirche und manchmal in unserem Alltags „Grau in Grau“ ein
bisschen die Hoffnung zu verlieren. Paulus kannte das wahrscheinlich. Jedenfalls wünscht er, dass die Augen unseres Herzens erleuchtet werden und wir erkennen zu welcher Hoffnung wir berufen
sind. Ja, das wünsche ich unsauch: Augen auf, Herz auf! Damit wir erkennen, spüren, schmecken, begreifen für was wir eigentlich alles danke sagen können! Die kleine Übung auf die uns vor ein paar
Jahren ein junger Priester aufmerksam gemacht hat, hilft mir: Jeden Tag mindestens fünf gute Gründe finden wofür ich danke sagen kann. Wenn mir die Übung gelingt geht es mir besser. Ich wünsche
es Ihnen von Herzen!
Georg Lichtenberger