Persönliches Statements von michael dederichs
Biographisch kenne ich die Herz-Jesu-Verehrung aus den besonderen Gottesdiensten am Herz-Jesu-Freitag, in denen ich ab meinem neunten Lebensjahr als Ministrant frühmorgens diente. Mit dabei in
der Hauskapelle waren Schwestern aus dem Orden des Heiligen Franziskus, die Kinder- und Altenheim zu ihrer Lebensaufgabe gemacht hatten. Manchmal wurde ich auch ins Krankenhaus zum ministrieren
einbestellt. Auch dieses Haus wurde von „Töchtern des Heiligen Franziskus“ geleitet. Der erste Freitag im Monat jedenfalls war bereits in meiner Kindheit aus dem Alltag herausgehoben. Bis heute
erinnert mich der Freitag immer an die zentrale wie geheimnisvolle Botschaft unseres christlichen Glaubens: Gott ist leibhaftig Mensch geworden. Er ist nicht abstrakte Liebe geblieben, sondern
er hat in Jesus ein Herz aus Fleisch und Blut und mit diesem Freud und Leid bis hin zum Kreuz erlebt. Jesus war ein Mensch wie wir und gleichzeitig unendlich viel mehr. Das Herz Jesu ist für mich
Symbol, mein Herz, mein Leben von Gott erfüllen zu lassen, dabei fest im Hier und Jetzt zu stehen und gleichzeitig auf eine viel größere und weitere Wirklichkeit vertrauen zu dürfen.
Diese Botschaft hat sich damals tief in mein Herz eingegraben bis heute. Zweifelsohne ist es auch ein weiteres Geschenk meiner geistlichen Lehrer die mir später im Studium die biblisch, theologisch und anthropologisch an Herz legten. So z.B. wird in christlicher Deutung Christus zum neuen Moses, der nicht nur das Wasser aus dem Felsen gibt, nach dessen Genuss man später wieder Durst bekommt, sondern der das lebendige Wasser gibt, das er aus dem „Felsen seines Herzens" spendet (Joh 19,34ff.). Dementsprechend ist der biblische Referenzpunkt für die Herz-Jesu-Verehrung die vom Johannes-Evangelium beschriebene Szene der Durchbohrung der Seite Jesu, aus der Blut und Wasser hervorquollen.
Für die Kirchenväter (2./3. Jh) in Kleinasien und ihrer Theologie war das Herz Jesu, das mit der Seitenwunde identifiziert wurde, die Quelle, aus der die Sakramente Taufe (Wasser) und
Eucharistie (Blut) - und damit die Kirche - hervorströmen. Die von Origenes beeinflusste alexandrinische Richtung legte den Akzent auf die Erkenntnis, die aus dem Herzen des Herrn fließt. Damit
steht der Einzelne in mystischer Einheit mit dem Herrn im Vordergrund. Die spätere Herz-Jesu-Verehrung nahm beide Strömungen, die ekklesiologische und die mystische, auf.
Die neuerliche Hinwendung zur Menschheit Christi ab dem 12. Jahrhundert förderte eine intensivere Betrachtung seines Leidens. Die Wunden Jesu wurden bei Bernhard von Clairvaux - unter Aufnahme
eines Motivs aus dem Hohenlied (2,14) - zur Stelle, in denen die Vögel Nester bauen können. Der Mensch hat in Christi Wunden, besonders der Herzwunde, Platz für seine eigenen Wunden. Das Herz
Jesu wird zur Verkörperung des Gottes, der sich in Christus verwundbar macht, nicht der ferne und unnahbare, sondern der mittragende und mitleidende Gott, der aus eigener Erfahrung weiß, was
Leid und Schmerz bedeutet und deshalb den Menschen barmherzig nahe ist. Christus verbirgt seine Wunden, sein durchbohrtes Herz nicht, sondern zeigt es. Das berührt mich zutiefst.
Freitag, 19.06.2020
Heiligstes Herz Jesu, Hochfest
Michael Dederichs, Seelsorger, Priester